The Marvelous Mrs. Maisel und die Feelgood-Emanzipation

Mrs. Maisel im schwarzen Cocktailkleid verabschiedet sich von ihrem Publikum.
The Marvelous Mrs. Maisel, Season 1 (via Giphy)

Welch ein Glück, dass sich Amy Sherman-Palladinos Kreativität mit den Gilmore Girls nicht erschöpft hat. Ihre neue Serie The Marvelous Mrs. Maisel (zwei Staffeln auf Prime verfügbar) ist ästhetisch ein kleines Juwel und räumt gerade zurecht viele Preise ab.

Auch hier steht wieder eine starke, schnell sprechende Frau samt ihrer herrlich verschrobenen, privilegierten Familie im Mittelpunkt. Auch hier bevölkern wieder die skurrilsten Charaktere den Serienkosmos, während ein Hauch von Romantik in der Luft liegt. Vieles erinnert an Stars Hollow. Und doch ist alles anders. Größer, bunter, stylischer, gewagter. Es sind die 50er, es ist der Big Apple und es darf endlich geflucht werden was das Zeug hält.

Es scheint, als hätte der Streaming-Riese Sherman-Palladino völlig freie Hand dabei gelassen, ihre kühnsten Serienträume zu verwirklichen. The Marvelous Mrs. Maisel ist wie eine verrückte Kreuzung aus Gilmore Girls und Mad Men, stellenweise mit einem Schuss Dirty Dancing. Stilistisch eine Augenweide, erzählerisch ein großer Spaß. Das einzige, womit ich nicht einverstanden bin, ist, dass das ganze irgendetwas mit Emanzipation zu tun haben soll. Klar, wenn eine Frau in den 50ern beschließt, Stand-Up-Comedian zu werden, klingt das erstmal progressiv. Wenn sie jedoch so gefällig und perfekt daher kommt wie Hauptfigur Midge Maisel (Rachel Brosnahan), dann ist sie leider weit von einem feministischen Ansatz entfernt. Aber hey, bei aller Liebe ist es doch immer noch eine konventionelle Komödie, wo Konflikte und Konfrontationen nicht weh tun dürfen.

Mrs. Maisel und die Feelgood-Emanzipation

New York, 1958. Miriam, „Midge“ Maisel führt das perfekte Leben einer jüdischen Upper West Side Hausfrau. Perfekte Wohnung, perfektes Äußeres und immer noch die gleichen Körpermaße wie vor der Geburt ihrer zwei Kinder. Damit dieses perfekte Leben sie nicht zu sehr langweilt, begleitet sie, ganz unterstützende Ehefrau, Mann Joel (Michael Zegen) an den Abenden in schummrige Künstler-Cafés, wo sie ihm im Tausch gegen eine Kalbsbrust Auftritte als Stand-Up-Comedian verschafft.

Umso fassungsloser ist Midge, als der undankbare Ehemann sie plötzlich für seine Sekretärin verlässt. Als habe sie nur auf diese Gelegenheit gewartet, findet sie sich sturzbetrunken selbst auf der Bühne des Gaslight Cafés wieder, wo sie ihren Frust in schlüpfrige Witze verpackt und damit nicht nur das Publikum für sich gewinnt, sondern auch Managerin Susie, die aus ihr prompt eine Komikerin machen will.

Eine Frau, die vulgäre Witze auf der Bühne reißt? Dazu noch eine wohlbehütete Tochter aus gutem Hause, eine sitzen gelassene, alleinerziehende Hausfrau. Im New York der 50er Jahre eine beinahe unmögliche Situation und deshalb der perfekte Ausgangspunkt für eine höchst unterhaltsame Serie.

Wenn sie es ihrer Hauptfigur nur nicht so leicht machen würde. Zwar wird Midge auf der Bühne immer mal wieder von Männern angepöbelt und fürchtet außerdem die Reaktion von Familie und Freunden auf ihre neue Karriere, die großen Hürden, die man als Zuschauer nach der Pilotfolge erwartet, bleiben jedoch aus. Sie muss sich nie wirklich überwinden, sich durchschlagen oder über sich selbst hinauswachsen. Warum auch, schließlich ist sie perfekt wie sie ist und wird sowieso von allen geliebt.

Während andere Frauen in ihrer Situation erstmal um ihre Existenz fürchten müssten, kann Midge einfach eine Etage tiefer zu ihren Eltern in ihr voreheliches Leben ziehen. Der Job, den sie sich daraufhin im Kaufhaus sucht, um von ihren Eltern in Ruhe gelassen zu werden, ist dann mehr eine Trotzreaktion als tatsächlich notwendig. Schließlich kann sie so den ganzen Tag zwischen Kosmetik und Designer-Kleidern verbringen und muss dazu noch nicht einmal mehr so tun, als würde sie sich um ihre Kinder kümmern. So bleibt noch genug Zeit für die Stand-Up-Karriere, auch wenn Midge diese Zeit nicht wirklich braucht, denn sie muss sich nie auf einen Auftritt vorbereiten, weil ihr die Witze nur so zufliegen.

So konnte ihr eigentlich nichts besseres passieren, als von ihrem Ehemann verlassen zu werden (wobei der nie wirklich weg ist und sich schon bald darum bemüht, sie zurückzugewinnen). Nun da sie nicht mehr den ganzen Tag damit beschäftigt ist, ihn zu beeindrucken, entdeckt sie ihr wahres Potential und entwickelt den Ehrgeiz, etwas daraus zu machen. Man könnte das emanzipiert nennen. Wäre Midge nicht einfach von der Obhut des Ehemanns wieder zurück in die des Vaters gewechselt. So steht ihre Existenz zu keinem Zeitpunkt auf dem Spiel und ihre Unabhängigkeit nicht zur Debatte. Mit ihren Comedy-Auftritten hat sie nichts zu verlieren, noch nicht einmal ihr Ansehen, wie sich in der 2. Staffel schnell herausstellt. Denn die lange gefürchtete Reaktion ihres stockkonservativen Umfelds löst sich natürlich in Wohlwollen auf. Schade, da so der recht dramatische Auftakt der Serie nicht eingelöst wird. Nicht schade, weil sie so immer leicht und witzig bleibt.

Und doch ein bisschen mehr Kampf hätte ich mir gewünscht, allein schon der Glaubwürdigkeit zuliebe.

Was die Serie dennoch großartig macht

Hat man sich einmal damit abgefunden, dass Midge diese perfekte Überfrau ist, die auf jeder Party sofort im Mittelpunkt steht, ist The Marvelous Mrs. Maisel ein echter Hochgenuss. Diese 50er Jahre Ästhetik, die Kostüme, die Schauspieler und die Komik, die weniger von Midges Witzen als vielmehr von ihrem Umfeld erzeugt wird.

Da sind die Weissmans und die Maisels, zwei wohlhabende jüdische Familien mit unzähligen, verrückten Marotten. Allen voran Vater Abe (Tony Shalhoub), der zwar ein genialer Mathematiker, aber ein wahrer Menschenhasser ist.

Und da ist Susie (Alex Borstein), Midges griesgrämige Managerin, die eine Verwandte von Luke Danes sein könnte und das komplette Gegenteil von Upper-West-Side-Midge darstellt. Sie repräsentiert das künstlerische Underground New York, die Frau, die so wenig auf ihr Äußeres gibt, dass sie ständig mit einem Mann verwechselt wird (Haha, was ein Running Gag. Da haben wir sie wieder die zweifelhaften Frauenbilder).

Und doch ist es die Freundschaft zwischen diesen beiden gegensätzlichen Frauen, die für jede Menge großartiger Momente sorgt. Und zwar besonders dann, wenn sich eine der beiden plötzlich in der fremden Lebenswelt der anderen wiederfindet. Mein Lieblingsmoment: Die Catskills, eine Art Ferienlager für reiche, jüdische Familien, in dem Susie sich als Klempnerin ausgibt, um mit Midge in Kontakt zu bleiben und ganz unerwartet eine emotionale Bindung zu ihrem Pümpel und dem Rest der Hotelcrew entwickelt. Außerdem auch hier: Joel und Benjamin, Midges alte und neue Romanze. Wobei ich im Verlauf der 2. Staffel überrascht gestehen musste, in Team Joel zu sein.

Sie ist einfach wunderbar schön diese Serienwelt, die an einen von diesen alten Hollywood-Musicalfilmen erinnert, in denen alle Farben leuchtender erscheinen und immer alles gut ausgeht. Mit dem Unterschied, dass hier wesentlich mehr geflucht wird und die Konventionen so weit außer Kraft gesetzt sind, dass unangepasstes Handeln keine Konsequenzen nach sich zieht.

4 Kommentare zu „The Marvelous Mrs. Maisel und die Feelgood-Emanzipation

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..